| | André
Kostolanys - Whisky-Spekulation
...
Und noch ein anderes interessantes Abenteuer fällt mir
ein. Während des Krieges und noch einige Zeit danach war der Getreidehandel
reguliert. Jedes Land und jeder Industriezweig bekam gewisse Mengen an Getreide
zugeteilt. Damit war auch die Whiskyindustrie gebremst, und die Preise lagen
speziell für die großen Marken viel höher als normal. Eine Gallone stand etwa
bei 120 Shilling. Reifer Whisky war damals ziemlich ausverkauft, und man konnte
aufgrund der langen Lagerungszeit den Bestand nicht so schnell wieder erhöhen.
Whisky muß nämlich mindestens drei Jahre in Portweinfässern lagern. Die guten
Sorten brauchen bekanntlich sogar zwölf Jahre. Außerdem lag schon damals eine
hohe Steuer auf Whisky. Nach der Abfüllung kam etwa das Zehnfache des
eigentlichen Whiskypreises als Steuer obendrauf.
Durch die Knappheit gab es eine Riesendiskrepanz zwischen
den Herstellungskosten, die etwa bei sechs Shilling lagen, und dem Preis für
dreijährigen Whisky, der bereits 100 Shilling kostete, die länger gelagerten
Sorten kosteten dementsprechend mehr. Zum Teil waren es die Hersteller, die den
Angebotsengpaß ausnutzten, um die Preise zu erhöhen, zum anderen spielten die
Spekulanten eine Rolle. Sie lagerten Whisky in Schottland ein. Sie bezahlten die
Versicherung und die Portweinfässer. Den frischen Whisky kauften sie bei 30 bis
40 Shilling und konnten ihn nach drei Jahren bereits für 100 Shilling
verkaufen. Die Banken finanzierten den Herstellern dieses Geschäft nicht. Sie
waren nicht bereit, eine Ware zu finanzieren, auf die man noch den sechsfachen
Betrag an Steuern draufzahlen muß und die man nicht sofort veräußern kann.
Denn wäre der Schuldner zahlungsunfähig geworden, hätten sie erst abwarten
müssen, bis die drei Jahre um sind, um an ihr Geld zu kommen. So sprangen die
Spekulanten ein und übernahmen das Risiko, das natürlich existierte, da man
nicht wissen konnte, wie der Whisky in drei Jahren stehen würde. Beim Kauf
stand der frische Whisky zwar bei 30 und der dreijährige, also der
erstmögliche Liefertermin, bei 100 Shilling, doch niemand konnte garantieren,
daß dies auch nach drei Jahren noch so sein würde.
Einer meiner Freunde, Stefan Zollner, ein Spekulant,
propagierte diese Spekulation sehr stark bei seinen Freunden. Es war quasi ein
Wuchergeschäft. Man wucherte nicht mit Geld, sondern mit Whisky. Auch ich
wollte mir diesen Deal nicht entgehen lassen, das Risiko war ja nicht besonders
hoch. Selbst wenn der schon reife Whisky bei Lieferung auf 60 fiel, war es immer
noch ein Profit von 100 Prozent in drei Jahren. Mein älterer Bruder Emmerich,
der in London lebte, beteiligte sich auch am Whiskygeschäft. Ich erinnere mich
an ein Mittagessen mit meinem Freund Zollner und meinem Bruder im Prunier in
London, einem wunderbaren Restaurant. Wir sprachen über Whisky, und als mein
Bruder zum Telefon ging, sagte Zollner zu mir: "Du, André, mit dem
Emmerich müssen wir vorsichtig sein. Du bist ein Spekulant und weißt, was du
riskierst, aber der Emmerich ist hierauf nicht trainiert. Die Marge ist zwar
groß, doch alles ist möglich, wie du weißt." Er hatte recht, und ich
empfahl meinem Bruder, nicht noch mehr Whisky zu kaufen. Danach fuhr ich zurück
nach Paris, um mich von dort aus wieder auf den Weg nach New York zu machen. Das
Flugzeug sollte in Irland und in Kanada zwischenlanden. Aber bereits in Irland
hatte die Maschine eine Panne. Und so saßen wir die ganze Nacht im Wartesaal.
In den Schaukästen befanden sich irische Erzeugnisse, darunter auch Irish
Whiskey mit Literatur darüber. Also nicht Scottish Whisky, sondern Irish
Whiskey. Die Literatur nahm ich mit. Aus dieser erfuhr ich, daß der Preis für
Irish Whiskey lächerlich niedrig war. Eine Flasche kostete ein Zehntel dessen,
was Scottish Whisky in Amerika kostete. In New York studierte ich das
Informationsmaterial und merkte, daß Whisky eigentlich aus gar nichts besteht.
Es ist reines wertloses Wasser. Ich fragte daraufhin meinen Vater, der vor dem
Krieg eine große Schnapsbrennerei besaß, was Whiskyeigentlich ist. Er
bestätigte mir, was auch ich aus der Literatur entnommen hatte. Nur durch die
Steuern und die Marke war der Preis so hoch. Ich dachte mir, die Preise sind
völlig aufgeblasen, was mir nicht gefiel. Auch über Öl schrieb ich immer, der
Preis müsse irgendwann fallen, wenn die Produktionskosten und der Verkaufspreis
zu weit auseinanderdriften. Dieser Überzeugung folgte ich auch hier. Ich
verkaufte mein Quantum einem anderen Spekulanten und machte sogar einen Gewinn,
da ich ja schon Wartezeit auf meinen Whiskyfässern hatte, und sagte meinem
Bruder, er solle das gleiche tun. Einen Käufer zu finden war nicht schwer, da
diese Spekulation damals sehr populär war. Ein anderer Freund namens Eugen
Weinreb war auch ganz versessen auf das Whiskygeschäft. Er betätigte sich als
Zwischenhändler und verdiente so Provisionen. Da es keine offizielle Notierung
gab, konnte er sich ordentliche Margen einstecken. Als ich etwas später an der
Pariser Börse war, sprach mich ein Freund an und bat mich um meine Meinung zu
Whisky. Ich erklärte ihm, welche große Gefahr ich sah und daß Rum auch bei
100 Shilling pro Gallone gewesen sei, weil es während des Krieges keinen Rum
gab, und jetzt bei drei stehe. Er war entsetzt. Drei Tage später rief mich mein
Freund Weinreb an und war empört: "André, was hast du mir da angetan? Du
hast mit einem meiner Kunden gesprochen und Panik über Whisky verbreitet. Jetzt
schläft er nicht mehr, denn er hat ein großes Quantum. Wie kannst du mein
Geschäft so verderben." Ich sagte: "Lieber Freund, ich habe nur meine
Meinung gesagt, außerdem hat der Zollner mich auf die Entwicklung im Rum
aufmerksam gemacht." Aber er war außer sich und warf mir vor, ich würde
Propaganda gegen ihn machen. Da ich ihn sehr gern hatte, besuchte ich ihn am
nächsten Tag und schenkte ihm ein Wörterbuch. Erstaunt fragte er mich:
"Was soll ich damit?" - "Schau rein", sagte ich, "das
Wort >Whisky< habe ich gestrichen und werde nicht mehr darüber
sprechen."
Ein Jahr später war Whisky unverkäuflich. Alle waren wie
versessen auf dieses Geschäft gewesen, und so wurden enorme Quantitäten an
frischem Whisky eingelagert und folglich etwas später das Angebot stark
erhöht.
Was mich gerettet hat, war die zufällige Flugzeugpanne in
Irland. Ansonsten wäre auch ich unter den Verlierern gewesen.
Ich habe mit Rohstoffspekulation gute und schlechte
Erfahrungen gemacht, Rohstoffanlage jedoch würde ich nicht empfehlen. Gold
legte zum Beispiel in den letzten Jahren eine noch wesentlich blamablere
Performance hin als Anleihen. Rohstoffe haben gegenüber Wertpapieren einen
entscheidenden Nachteil. Sie werfen keine Verzinsung oder Dividende ab. Der
Besitzer ist einzig und allein auf die Preissteigerung angewiesen.
Anleihen bringen jährlich ihren festen Betrag, den man
dann wieder anlegen kann. Und auch Aktien zahlen in einer längeren
Seitwärtsbewegung wenigstens die Dividende. Diese ist zwar meistens etwas
spärlich, doch kann sie zumindest den Kaufkraftverlust des Geldes auffangen.
Die klassischen Rohstoffanlagen Gold und Diamanten sind nur dann eine gute
Investition, wenn man auf der Flucht sein Land verlassen muß, weil es eine
Revolution, Krieg oder ähnliches gibt. Aber sieht es in irgendeinem westlichen
Land heute danach aus? |